Adblocker für Webseite XY abschalten, solche Aufforderungen kommen ja inzwischen immer häufiger. Ich bin heute auf einen dieser „Bettelbriefe“ – ja, wie soll man sie sonst nennen? – gestoßen, diesmal von der NZZ.
Okay, liebe Zeitungsmacher. Ihr wollt, dass ich meinen Adblocker ausschalte. Interessiert euch nicht, warum ich ihn überhaupt angeschafft habe? Denn DAS sollte euch wirklich interessieren, denn es beinhaltet auch den Grund warum ich meine Adblocker zunächst einmal nicht abschalten werde.
Früher, in der guten alten Zeit als Internet noch etwas besonderes war, da war Werbung erträglich. Es gab nicht viel Werbung, weil es auch wenig Bandbreite gab, und Werbung an dem Aufbau einer Seite zehrte. Aber das ganze ging schon irgendwie, und wer nicht der große Supertuner seines Browsers war, der blendete Werbung auch nicht aus. Das lief einfach so mit, und es war auch irgendwie okay.
Heute sieht das anders aus. Blinkende Werbung, Popups, Popunders, Layerwerbung haben das Leseerlebnis unerträglich gemacht. Das war euer erster Fehler. Wir Leser haben dagegen protestiert, ihr habt uns nicht gehört.
Dann das Benutzertracking durch die Werbelieferanten. Wer sich Werbung aussetzt macht sich gläsern, denn egal auf welche Webseite man geht man hat es stets mit den Werbelieferanten zu tun, die einen auf jede Webseite verfolgen.
Das war euer zweiter Fehler. Auch dagegen haben wir Leser protestiert, auch das wurde den meisten von euch überhört.
„Stylische“ und interaktive Werbung, die Sicherheitslücken mitbringt und über windige CDNs am Ende auch Malware ausrollt war dann der nächste „Clou“. Über das Thema habt ihr teils sogar selbst berichtet, Konsequenzen gab es aber keine.
Dass Werbung nicht nur ein großes Ärgernis, nicht nur ein Datenschutzproblem sondern ein Ende eine akute Gefahr für die Benutzer darstellte, das war euer dritter Fehler.
Einige Benutzer protestierten auch dagegen noch, die meisten hatten längst resigniert und sich selbst geholfen. Mit Adblockern, denn die waren längst ein Sicherheitsfeature geworden. Was sollte man auch sonst tun, wenn jede nächste Webseite (BBC, New York Times) eine sein könnte, die über den Werbekanal Malware verteilt?
Jetzt endlich ist euch klar geworden, dass sich etwas ändern muss. Ja, das sehe ich genau so. Aber nicht wir Nutzer müssen etwas ändern, wir haben stets nur re-agiert. Ja, wir Nutzer haben sogar etwas tolles getan: wir haben euer schönes Produkt, das ihr mit Scheiße in Form von Werbung verunstaltet habt, vor der Werbung gerettet.
Folgendes wird jetzt passieren müssen, da ihr, liebe Zeitungsmacher, auf uns zukommt. Zunächst einmal müsst ihr euch bei uns entschuldigen. Für diese drei dicken Fehler die ihr begangen habt und dafür dass ihr unser Wehklagen einfach dreist ignoriert habt (solange die Werbegelder noch flossen). Dann, langsam, könnt ihr unser Vertrauen wiedererlangen, nämlich indem ihr Werbung wieder akzeptabel und erträglich und vor Allem ungefährlich macht.
Dieses Ziel befindet sich in weiter Ferne, davon sind wir sicher noch Jahre entfernt. Aber, liebe Zeitungsmacher und Webseitenbetreiber, der erste Schritt ist getan. Denn endlich ist zu euch durchgedrungen was eure Hausaufgaben sind und was ihr zu tun habt.
Falls ihr statt dessen auf Bettelbriefe setzt: damit werdet ihr keinen Erfolg haben. Letztendlich werden die Betreiber, die dem Werbe-Moloch zum Wohle der Kunden vernünftige Schranken aufzeigen überleben. Die anderen werden vergehen.