In meiner Zeit bei der Piratenpartei habe ich so einige Dinge gelernt über die Formalia der Demokratie, welche rechtlichen Rahmen es gibt und so weiter. Die Vorbereitung zieht sich in jedem Fall über zig Monate hin, nicht selten kann man sechs Monate nach dem Ende eines Parteitags schon mit der Planung des nächsten Jahresparteitags beginnen.
Dabei hat ein Parteitag für eine entsprechende Partei die entscheidende Rolle. Nämlich ist der Landes- oder Bundesparteitag das jeweils höchste demokratische Gremium jeder Partei. Das ist sogar gesetzlich so festgelegt. Nur bei Parteitagen können Satzungsänderungen beschlossen, Ämter und Mandate festgelegt werden und Parteiprogramme erstellt werden. Wichtiger als ein Parteitag geht es also nicht.
Die Planer von Parteitagen (meist beauftragt vom Vorstand) sehen sich also um nach einer geeigneten Location, schließen im Vorfeld Verträge ab, und schließlich sorgt der Bundes- oder Landesvorstand für die Einladung sämtlicher Mitglieder. Hochwichtiger Grund das, denn wenn an der Stelle Fehler gemacht werden oder Fristen verpasst werden, kann das zu einem Anfechtungsgrund das Parteitags führen. Und irgendeinen Depp findet man immer der wegen so etwas vor Gericht zieht.
Zu kämpfen hat aktuell die allseits unbeliebte Alternative für Deutschland. Und zwar wurde denen der Mietvertrag von der Stadt Essen für den Bundesparteitag gekündigt (Archiv).
Natürlich kommt jetzt die einseitige Kündigung weniger als 4 Wochen vor dem Start des Parteitages am 28.06.
Wie kommt die Stadt Essen darauf einen bestehenden Mietvertrag einseitig kündigen zu wollen?
Die Stadt Essen und die Messegesellschaft suchten seit Monaten nach Möglichkeiten, den Bundesparteitag der AfD Ende Juni in der Grugahalle noch zu verhindern. Ende Mai hatte der Stadtrat die AfD aufgefordert, sich zu verpflichten, dass während des Parteitags keine strafbaren NS-Parolen verwendet werden. Bei Verstößen sollten 500.000 Euro Strafgeld drohen. Für die Abgabe der Erklärung hatte die Stadt der AfD eine Frist bis zum 4. Juni gesetzt, andernfalls sollte der Mietvertrag laut Ratsbeschluss „unverzüglich außerordentlich fristlos“ gekündigt werden.
Das ist natürlich witzig. Die Partei als Ganzes soll also in Sippenhaftung dafür genommen werden wofür man sie gar nicht in Haftung nehmen kann. Und natürlich nachträglich vorgeschoben, nachdem ein bestehender Vertrag abgeschlossen wurde. Warum sollte eine Partei so etwas tun wollen?
Das ganze erinnert mich etwas an Russland. In Russland gibt es ein Gesetz gegen „Extremismus“, bei dem bestraft wird wer sich gegen „staatliche Autorität“ wendet.
Man stelle sich vor in Russland würde einer Oppositionspartei die Ausübung ihres Parteitags verwehrt, es sei denn die Partei würde sich zu absurd hohen Geldstrafen verpflichten falls auf einem Parteitag „Extremismus gegen staatliche Autorität“ geäußert würde.
Ganz offensichtlich geht es hier um einen Frontalangriff auf die Parteiendemokratie, und das auch noch mit windigen Methoden. Wenn die Stadt Essen damit durchkommen sollte, dann steigt Deutschland mal wieder ein paar Punkte herab auf dem Demokratieindex, auf dem Deutschland sowieso nur im Mittelfeld der vollständig demokratischen Länder rangiert.