„Die Regierung will nur böses“?

In letzter Zeit komme ich vor lauter twittern gar nicht mehr zum „richtigen“ bloggen. Aber dieser Artikel von fefe ist einfach zu richtig und wichtig, um nicht besprochen zu werden. Denn es geht um Grundsatzfragen:

Eine Sache möchte ich noch ansprechen, weil ich gerade per Email danach gefragt wurde. Wie reagiere ich, wenn einer auf meine Ausführungen mit „Jaja, die Regierung will uns nur Böses, schon klar“ reagiert?

Es handelt sich hier um ein prachtvolles Beispiel von unfairer Argumentation. Hier werden nicht die Argumentationen oder die Fakten angegriffen, sondern der Vortragende, dem unterstellt wird, ihm ginge es nicht um die Fakten, sondern um das Madigmachen der Regierung. Und diese unzutreffende Unterstellung greift man dann an, indem man sie lächerlich zu machen versucht.

Das ist ein wichtiger Punkt. Eine typische Einstellung von Merkbefreiten, die einfach mal unterstellen man sei ja nur generell gegen die Regierung und sowieso den Staat. Dass die ja alle nur böse wären.

Mal abgesehen davon ist meine inhaltliche Antwort, dass es hier gar nicht um unsere aktuelle Regierung geht. Im Geschichtsunterricht geben wir der Weimarer Republik und Hindenburg Mitschuld daran, dass Hitler an die Macht kam. Genau so müssen wir bei unseren Gesetzen Sorge tragen, dass zukünftigen Diktatoren keine Ermächtigungsgesetze in die Hand gegeben werden. Mehr noch: wir müssen dafür sorgen, dass sie auch von bösartigen, korrupten oder inkompetenten zukünftigen Volksvertretern nicht mißbraucht werden können. Das Grundgesetz hat dafür die Ewigkeitsklausel und den von ihr geschützten Artikel 20 Absatz 4.

Wenn wir jetzt also den Fall haben, dass eine demokratisch gewählte Regierung Gesetze wie das BKA-Gesetz, die Vorratsdatenspeicherung oder die Internetzensur erlässt, dann ist es unsere Pflicht, das zu verhindern bzw schnellstmöglich rückgängig zu machen. Denn schon die nächste Regierung könnte mit dieser Gesetzesgrundlage einen Unterdrückungsstaat bauen.

Der nächste Hardliner kommt bestimmt, und noch mehr Angst vor dem was die aktuelle Regierung mit einem Gesetz anrichten wird habe ich davor, was für Potentiale in bestimmten Gesetzen stecken. Und wenn wir es mit Gesetzen zu tun bekommen, die geeignet sind die freiheitlich demokratische Grundordnung aus den Angeln zu heben dann muss man das auch ansprechen dürfen.
Solche Sprüche wie: „Du musst aber auch immer das schlimmste annehmen.“ kann ich nicht mehr hören. Natürlich muss man immer das schlimmste annehmen, wenn dies der Spielraum eines Gesetzes ist. Ich glaube zwar nicht, dass die aktuellen Regierungsparteien eine Diktatur á la NS (oder was schwächeres) aufbauen werden, aber es soll bloß keiner sagen können sie hätten ja nie geahnt, dass man ihre Zensurgesetze und Grundrechte einschränkenden Gesetze so hätte missbrauchen können.

Frische Infos über wikileaks.de

http://twitter.com/wikileaks/status/1511282154

> Short update on Wikileaks.de issues: more open questions
> remaining, situation is still unclear. We will update
> once we have all information.

http://twitter.com/wikileaks/status/1511285789

> Kurzes Update zu Wikileaks.de: es gibt noch offene Fragen
> und die Situation ist weiter unklar. Ein ausfuehrliches
> Updates folgt sobald alles geklaert ist

Also erst einmal abwarten angesagt. Die Zensurvermutung war sehr naheliegend, und wir sollten uns Gedanken darüber machen, dass wir unserem Staatswesen jederzeit eine so hinterlistige Zensur zutrauen. Für unmöglich hält das wohl keiner mehr.

Update: Wikileaks vermutet inzwischen Einflußnahme des BND

http://twitter.com/wikileaks/status/1512744453

> WikiLeaks.de domain cancellation is related to BND articles
> in Dec; specific timing possibly recent events

und weiter:

> will give details in 2-4 hours. stay tuned

Zuletzt hatte wikileaks im November 08 und Dezember 08 Informationen des Bundesnachrichtendienstes geleakt:
http://www.wikileaks.org/wiki/Correspondence_between_BND_and_Wikileaks%2C_as_of_Dec_22_2008

Und dann passt auf einmal auch wieder dieser Auszug (aus der Meldung):

Der fragliche Provider teilte heise online heute jedoch schriftlich mit, man habe den Vertrag bereits Anfang Dezember 2008 „fristgerecht und mit entsprechendem Vorlauf zum 30. März 2009 gekündigt.“ Grund sei „nicht vertragsgemäßes Verhalten“ gewesen.

Soso, Dezember 08. Zufälle gibts. Warten wir mal die Erklärung von wikileaks ab.

wikileaks.de

Wahrscheinlich die Nachricht des vergangenen Tages: wikileaks.de wurde von der denic gekappt. Zensiert, in meinen Augen. Die Weiterleitung auf wikileaks.org existiert nicht mehr. Statt dessen bekommt man folgende Seite zu sehen:
http://www.denic.de/de/transit-info.html#

Wikileaks.de DENIC Zensur
Subtil, oder?

Das Statement von wikileaks liest sich so:

Diesmal sind es die deutschen Behoerden, die versuchen eine ganze Presseorganisation wegen einem von hunderttausenden Dokumenten zu schliessen, ohne den Herausgeber ueberhaupt zu kontaktieren. Kontaktinformationen zu Wikileaks sind auf jeder Seite des Portals zu finden. Wikileaks publiziert weiter ueber die nicht-deutschen Domains. Wenn die deutsche Initiative zur Zensur des Internets erfolgreich ist, ist zu erwarten, dass diese alternativen Domains zensiert werden. China – und nun Deutschland – sind die einzigen Laender dieser Welt, die versuchen eine ganze Wikileaks Domain zu zensieren.

Offiziell aus Bayern: „Kinderpornografie gar nicht so schlimm“

Wie bitte? Ja, auch ich musste mir verwundert die Augen reiben, als ich in den vergangenen Tagen eine Pressemeldung aus dem bayerischen Innenministerium gelesen habe. Dort ist man nämlich der Meinung, dass Kinderpornos in etwa auf der gleichen Stufe stehen wie bestimmte frei/legal erhältliche Unterhaltungsmedien für Erwachsene.

Immer noch nicht zu glauben? Hier steht es schwarz auf weiß:

Killerspiele widersprechen dem Wertekonsens unserer auf einem friedlichen Miteinander beruhenden Gesellschaft und gehören geächtet. In ihren schädlichen Auswirkungen stehen sie auf einer Stufe mit Drogen und Kinderpornografie, deren Verbot zurecht niemand in Frage stellt.

Ja, und das meint der Innenminister Joachim Herrmann (CSU, was sonst) ernst!

Eine besondere Stilblüte in dem Zusammenhang: Actionspiele, neudeutsch „Killerspiele“, neuestdeutsch: „Tötungstrainingssoftware“ hält man für widersprüchlich mit dem Wertekonsens, aber Tötungstraining (Bundeswehr) ganz offensichtlich nicht. Was schließt man daraus? Es ist die Softwarekomponente, die das ganze so böse macht.